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Keine Vertragsstrafe für archivierte Website in der „Wayback Machine“

Das Landgericht Karlsruhe hat kürzlich mit Urteil vom 16.02.2023, Az. 13 O 2/23 KfH, entschieden, dass es keinen Verstoß gegen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung darstellt, wenn die damit untersagte Werbung weiterhin in der „Wayback Machine“ abrufbar ist. Hier erfahren Sie die Details zur Entscheidung des Gerichts.

Worum geht es in dem Urteil?

Es streiten zwei Marketing-Agenturen. Die beklagte Agentur warb Anfang 2021 auf ihrer Website damit, dass sie über „12 Jahre Erfahrung im Kanzleimarketing“ verfüge. Da die Beklagte tatsächlich erst seit kürzerer Zeit am Markt tätig war, handelte es sich dabei um verbotene irreführende Werbung. Die Klägerin mahnte die Beklagte ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Die Beklagte verpflichtete sich zur Unterlassung und löschte die Werbung von ihrer Website. Jahre später stellte die Klägerin fest, dass die irreführende Werbung noch in der sog. „Wayback Machine“ abrufbar ist und verlangte vor dem LG Karlsruhe die Zahlung einer Vertragsstrafe von der Beklagten.

Was ist die „Wayback Machine“?

Die „Wayback Machine“ ist unter der Adresse https://archive.org/ abrufbar. Es handelt es sich dabei um einen der bekanntesten und am weitesten verbreiteten Archivierungsdienste im Internet. Betrieben wird das gemeinnützige Projekt von der non-profit organization „The Internet Archive“ und besteht schon seit 1996. Die Wayback Machine archiviert regelmäßig das World Wide Web und speichert dabei alte Versionen von Websites, sodass diese auch zu einem späteren Zeitpunkt wieder abrufbar sind.

Was verlangt die Klägerin?

Die Klägerin argumentierte vor dem LG Karlsruhe, dass die Beklagte zur Zahlung einer Vertragsstrafe aus dem Unterlassungsvertrag verpflichtet sei, weil sie es unterlassen habe, die Einträge der Website mit der irreführenden Werbung aus der Wayback Machine entfernen zu lassen. Dass eine solche Pflicht besteht, ist grundsätzlich denkbar. Denn: Wer sich zur Unterlassung verpflichtet, hat in bestimmten Fällen auch dafür Sorge zu tragen, dass keine Verstöße durch Dritte erfolgen. Musste der Schuldner der Unterlassungserklärung mit Verstößen durch Dritte rechnen und hat dennoch nicht auf diese eingewirkt, haftet er, auch ohne den Verstoß selbst veranlasst zu haben.

Wie hat das LG Karlsruhe entschieden?

Das LG Karlsruhe folgte der Argumentation der Klägerin nicht und wies die Klage ab. Nach Ansicht des Landgerichts hat die Beklagte nicht gegen ihre Verpflichtung, nicht mit „12 Jahre Erfahrung im Kanzleimarketing“ zu werben, verstoßen. Es sei kein Verstoß gegen die Unterlassungserklärung, dass in einem von Dritten betriebenen Web-Archiv eine alte Version der Website der Beklagten auffindbar ist, die die irreführende Werbung noch enthält.

Konkret handele es sich bei der im Archiv abrufbaren Werbung schon um keine „geschäftliche Handlung“ im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG. Eine geschäftliche Handlung setzt nämlich voraus, dass sie Marktteilnehmer beeinflussen und damit den Absatz der eigenen Dienstleistungen fördern kann. Nach Meinung des Gerichts ist es ausgeschlossen, dass in der Wayback Machine archivierte Websites geeignet sind, geschäftliche Entscheidungen eines Marktteilnehmers zu beeinflussen. Bei der Wayback Machine handele es sich außerdem um ein reines Archiv, das nicht von üblichen Suchmaschinen durchsucht werde. Um auf die archivierte Version der Website der Beklagten zu gelangen sei dementsprechend eine gezielte Recherche notwendig. Diese Recherche werden Kunden der Beklagten nicht durchführen. Noch weniger würden diese Kunden die veraltete Version der Website und die alte Werbung in ihre Kaufentscheidung einbeziehen.

Über den Autor

Philipp Eickhoff, LL.M. ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für IT-Recht und externer Datenschutzbeauftragter. Er berät und vertritt bundesweit Unternehmen im gewerblichen Rechtsschutz, Urheber- & Medienrecht, Datenschutzrecht und IT-Recht. www.kanzlei-meibers.de