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BGH urteilt zur Nutzung alter Archivfotos

In einer Dokumentation über weit zurückliegende Kindesentführungen zeigte der Sender ZDFInfo alte Fotografien eines der Kinder aus dem Archiv. Dagegen wehrte sich die mittlerweile erwachsene Betroffene – und bekam nun in letzter Instanz Recht.

Sachverhalt

Im Jahr 2018 strahlte der Sender ZDFInfo eine Dokumentation über zwei Kindesentführungen der 1980er-Jahre aus. Darin wurden von einem der entführten Kinder, der heutigen Klägerin, drei Fotos, ein Brief und ein Audiomitschnitt aus der Entführungszeit veröffentlicht. Gegen diese Veröffentlichung ging die Klägerin vor. Während die unteren Instanzen die Klage noch zurückwiesen, sah das der BGH (Urteil vom 06.06.2023 – VI RR 309/22) nun anders.

Entscheidung

Im wesentlichen Teil der Urteilsbegründung beschäftigt sich der Gerichtshof mit der (Un-) Zulässigkeit der Fotonutzung. Dabei ging er davon aus, dass es sich bei den Fotos um Bildnisse im Sinne des Kunsturhebergesetzes (KUG) handele. Denn der Bildnisbegriff fordere einzig die Erkennbarkeit der abgebildeten Person durch einen mehr oder weniger großen Bekanntenkreis. Das Alter der Fotos spiele dafür keine Rolle.

Die Zulässigkeit der Veröffentlichung beurteilte der BGH dann wie üblich nach dem sog. abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG.

Danach war zunächst die Frage zu stellen, ob eine Einwilligung der Klägerin hinsichtlich der streitgegenständlichen Veröffentlichung vorlag. Der Gerichtshof kam zu dem Schluss, dass sich die Einwilligungen ihrer Eltern aus dem Jahre 1981 einzig auf die damaligen Veröffentlichungen bezogen und entsprechend keinerlei Einfluss auf die streitgegenständliche Veröffentlichung nähmen.

Es war deshalb im nächsten Schritt zu klären, ob es sich um Bildnisse aus dem sog. „Bereich der Zeitgeschichte“ handelte. Dies erfordert stets eine Abwägung der widerstreitenden Interessen, also in diesem Fall des Rechts am eigenen Bild der Klägerin als Ausgestaltung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gem. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG gegen das Recht auf Meinungsfreiheit und Information der Allgemeinheit auf der anderen Seite.

Dabei wurde dem Sender vom Gerichtshof zugestanden, dass angesichts der erheblichen Straftaten durchaus ein nicht unerhebliches Berichterstattungsinteresse bestehe. Dieses sei jedoch durch den Ablauf von mehr als 35 Jahren inzwischen relativiert. Zudem bestehe dieses Interesse vor allem an der Tat, nicht aber gerade auch an der betroffenen Person. Die Klägerin sei vielmehr durch die Tat ungewollt in die Öffentlichkeit gedrängt worden, was sie umso schutzbedürftiger mache. Aus diesen Gründen kam der Gerichtshof zu dem Schluss, dass die Rechte der Klägerin überwiegen und es sich deshalb gerade nicht um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handele. Die Veröffentlichung sei deshalb unzulässig.

Zum Ergebnis der Unzulässigkeit kam der Gerichtshof dann auch hinsichtlich der Wiedergabe des Briefes und des Audiomitschnitts. Auch hier überwiege das Schutzinteresse der Klägerin aus den vorgenannten Gründen.

Fazit

Die Prüfung des Gerichtshofs hinsichtlich der Veröffentlichung von Bildnissen erfolgte in der klassischen Art des abgestuften Schutzkonzepts. Soweit also nichts Neues. Durchaus neu, wenngleich nachvollziehbar, ist der Aspekt des Zeitablaufs, den der Gerichtshof in seine Abwägung einfließen ließ. Man sollte sich deshalb vor der Veröffentlichung von Archivfotos zukünftig zweimal fragen, ob diese im vorliegenden Einzelfall wirklich notwendig ist.

Über den Autor

Daniel Geisler ist Rechtsanwalt und externer Datenschutzbeauftragter. Er berät und vertritt bundesweit Unternehmen im gewerblichen Rechtsschutz, Urheber- & Medienrecht, Datenschutzrecht und IT-Recht. www.kanzlei-meibers.de